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Ein kultureller Silberstreif
 

„In bewegter Luft: Das Feste“

ist der Titel der Ausstellung seiner vieldeutigen Gemälde, die Peter Steinhage bis 20. Januar im Saal der Christengemeinschaft zeigt. 
 

Sigrid Schuer 07.01.2021

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Peter Steinhages Malereien sind bis zum 20. Januar im Gemeindesaal zu sehen. (Roland Scheitz)

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Still ist es in der Stadt. Das kulturelle Leben ist so gut wie vollständig unter dem Lockdown zum Stillstand gekommen. Nur die eine oder andere musikalische Andacht in den Kirchen bildet da eine Ausnahme. So, wie etwa am Nikolaustag, als Gregor Dauel von den Bremer Philharmonikern in der katholischen Propstei-Kirche St. Johann aufspielte oder wie in der Liebfrauenkirche am Markt, wo schon mal ein einziges Mitglied des Knabenchores während des Gottesdienstes, natürlich mit gebotenem Abstand, singen darf. Für Peter Steinhage, der seine Ölgemälde bis Mittwoch, 20. Januar im Saal der Christengemeinschaft in der Heinrichstraße 11, zeigt, ist das Credo „ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ des Philosophen Friedrich Nietzsche zum Lebensmotto geworden. Steinhage und sein Mann Ekkehard Lampe-Steinhage sind leidenschaftliche Opernfans und Theatergänger. „Uns fehlt momentan unglaublich viel“, spricht der Maler das aus, was so viele Kultur-Enthusiasten denken. Um zumindest einen kleinen, kulturellen Silberstreif zu vermitteln, hatte sich der Künstler gemeinsam mit der Christengemeinde dazu entschlossen, im Januar künstlerische Andachten anzubieten, selbstverständlich unter den strengsten Hygiene-Auflagen und nur nach vorheriger Anmeldung. Aufgrund des verlängerten Lockdown sind sie nun allerdings schweren Herzens zu dem Entschluss gekommen, diese kleine Serie doch noch abzusagen. Peter Steinhage ist nicht nur ein großer Musikenthusiast, seine Leidenschaft gilt auch der Architektur, die in der Ausstellung „In bewegter Luft: Das Feste“ eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Gezeichnet und gemalt habe er von Kindheit an, erzählt er. Später studierte er Kunst auf Lehramt und belegte das Weiterbildungsstudium „Gestaltende Kunst“ an der Hochschule Bremen, das eingestellt werden soll (wir berichteten).

 

Leidenschaft für die Architektur

Und wie so manch anderer Architekturfan findet auch der Maler, dass hinsichtlich des bisher ausgebliebenen, großen architektonischen Wurfs in der Hansestadt durchaus noch Luft nach oben sei. Auf seinen Bildern findet sich beispielsweise eine türkis umflossene Ansicht der in den 1930er-Jahren von Hans Scharoun in Löbau in der Oberlausitz erbauten Schminke-Villa. Hans Scharouns Bau beeindruckt durch die in futuristischen Dreiecken kühn übereinander gestapelten Etagen. Auch die Einsamkeit oder Abgeschiedenheit ist immer wieder Thema. (Roland Scheitz)

Das von elliptischen Formen dominierte Sculptured House, das ein US-amerikanischer Architektur-Autodidakt wie ein Statement mitten in den Wald von Colorado gestellt hat, kennt Steinhage dagegen nur von Fotografien. Trotzdem hat er es gemalt. Dann ist da das Haus im Gründerzeitstil mitten im Herzen von New York, eingezwängt zwischen Häuserschluchten, gegenüber dem Museum of Modern Art. Es scheint von einem Eis-Hauch umgeben zu sein. Davor türmen sich Eisquader. Inmitten einer grauen Wolkenkratzer-Kulisse drängt ein Baum, umgeben von einem Lufthauch, ans Licht. Oder es schwebt eine bedrohlich rote Wolke im Stil des magischen Realismus über einer Anordnung von Hochhäusern, mit ebenso blutroten Fensterhöhlen. Zusammen mit den kupferfarbenen, erdigen Grundtönen ergibt sich ein bedrohliches Szenario.

 

Inspirationsquellen Luft und Literatur

Von dem Spiel der Elemente ist Steinhage die Luft die bedeutendste. So hat er sich zu dem Bilder-Zyklus von der Literatur, aber auch vom eigenen Erleben in der Natur inspirieren lassen. Annette von Droste-Hülshoff bezeichnet sie als himmlischen Odem, für Hölderlin ist die „Luft die Schwester des Geistes“, so steht es in seinem „Hyperion“. Oder von dem 2015 erschienenen Roman „Mauersegler“ von Christoph Poschenrieder. So erklärt sich die Präsenz von Mauerseglern, die auf zwei von Steinhages Bildern auf den pastellfarbenen Wogen eben jenes himmlischen Odems elegant dahin gleiten. Von den Mauerseglern sagt man, dass sie den Zeitpunkt ihres Todes selbstbestimmt wählten und, wenn es dann so weit sei, einfach die Flügel einklappten und in den Kamikaze-Tod stürzten. Steinhages Bilder zeigen ein Natur-Idyll, das sich immer wieder in der modernen Architektur Bahn bricht. Auf zwei seiner Werke ist die Rückenansicht eines Mannes zu sehen, der in der Hand eine Fernbedienung hält. Im Hintergrund sind an den Wänden Split Screens zu erkennen, die mit der medialen Hektik aktueller Hiobsbotschaften die Ruhe, die die Naturelemente ausstrahlen, konterkarieren. Zwar sind die Werke 2019 entstanden, aber ihre Botschaft wirkt wie gemacht für das Corona-Jahr 2020. Steinhage versieht seine vieldeutigen Werke zudem mit Anklängen an postimpressionistische Malerei. So versteht er einen vielfarbig dahinplätschernden Bach als Referenz an Monets Seerosenteich in Giverny. Aber auch das Thema der Abgeschiedenheit oder sogar Einsamkeit scheint immer wieder in seinen Werken auf, beispielsweise ist die Rückansicht einer Frau zu sehen, die in einem Garten steht, allein und abgesondert von einer Menschengruppe, die sich hinter einer Glasfenster-Front versammelt hat. In gleicher Situation befindet sich ein Bassist, der, als dunkler Schatten gemalt, von den Betrachtenden abgewandt in einem Garten-Idyll einsam seine Melodie spielt. Das Motiv der Einsamkeit, auch hier scheint die Corona-Krise aufzuscheinen.

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Weitere Informationen

Die Ausstellung „In bewegter Luft: Das Feste“ ist bis Mittwoch, 20. Januar, in der Christengemeinschaft, Heinrichstraße 11, zu sehen. Die Ausstellung kann nur nach Anmeldung unter Telefon 7 94 25 87 besucht werden. Infos per E-Mail an peter.steinhage@t-online.de oder unter www.petersteinhage.com im Internet.

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